EUREGIO

Berufsausbildung in den Niederlanden - Ein Besuch bei unseren Nachbarn

Am 5. Juni 2012 fand für das gesamte Lehrerkollegium des Berufskollegs am Wasserturm eine Fortbildungsveranstaltung der besonderen Art statt. Wir waren im Rahmen eines Projektes der „Lernenden Euregio“ eingeladen, das System der Berufsausbildung in den benachbarten Niederlanden direkt vor Ort kennenzulernen. Ziel der Studienfahrt war das ROC Nijmegen.

Beim Betreten des Gebäudes hatten wir zunächst nicht das Gefühl, in einer Schule zu sein, denn der Eingangsbereich erinnerte eher an eine Citypassage mit Geschäften und Serviceunternehmen. Nur die auffallend große Zahl junger Menschen, die wir dort antrafen, vermittelte uns die vertraute Schulatmosphäre.

Zunächst erhielten wir von unseren niederländischen Kollegen einen informativen Überblick über das System der Berufsausbildung in den Niederlanden und die Bedeutung des ROC:
Das ROC Nijmegen ist eines von rund 45 regionalen Ausbildungszentren (Regionale Opleidingen Centra), die nahezu vollständig für die Durchführung der beruflichen Bildung in den Niederlanden zuständig sind. Das ROC bietet sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen Aus- und Fortbildungen im Bereich der beruflichen Bildung an. Zu seinem Angebot gehören außerdem maßgeschneiderte Qualifizierungsmaßnahmen für Unternehmen und Organisationen.
In den Niederlanden gibt es kein „Duales Ausbildungssystem“ mit einer genau geregelten Aufgabenverteilung zwischen Ausbildungsbetrieben und Berufskollegs, so wie wir es in Deutschland kennen. Allerdings findet die Ausbildung dort auch so weit wie möglich in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft statt. Auf diese Weise erhalten die Auszubildenden, sie heißen am ROC Studenten, eine praxisorientierte Ausbildung, die sie auf die spätere Arbeit in seinem Beruf vorbereitet. Rund 40 % aller Niederländer haben eine Ausbildung an einem ROC absolviert.
Am ROC Nijmegen sind derzeit etwa 13.000 Jugendliche und Erwachsene für eine Berufsausbildung oder eine Fortbildung eingeschrieben. Das ROC ist in verschiedene wirtschaftsbezogene Sektoren unterteilt, wie z.B. Wirtschaft, Technik oder Gesundheit und Soziales, die jeweils miteinander verwandte Berufsausbildungen in 4 Niveaustufen anbieten. Neben dem Hauptstandort in Nijmegen gibt es weitere lokale und regionale Niederlassungen. Viele der Ausbildungsgänge stellen eine geeignete Vorstufe zu einem Aufbaustudiengang an einer Fachhochschule dar.

Anschließend gab uns eine aus Deutschland stammende Studentin, die für die Fachrichtung Alten- und Krankenpflege eingeschrieben ist und im Moment auf der dritten Niveaustufe ausgebildet wird, sehr anschauliche Einblicke in den Ausbildungsalltag am ROC.
Dazu gehört beispielsweise, dass man während der Ausbildung an verschiedenen Aktivitäten teilnehmen kann, die sich auf das Ausland richten, z.B. Exkursionen, Austauschprogramme und internationale Praktika. Wichtig für deutsche Studenten ist außerdem, dass sie in Sprachkursen, die am ROC angeboten werden, im ersten Ausbildungsjahr lernen, sich mündlich und schriftlich in niederländischer Sprache zu verständigen.
Auch die Organisation des Sportunterrichtes ist sehr interessant. Bei allen Erstsemestern des ROC Nijmegen steht Sport auf dem Stundenplan. Dabei können die Studenten aus einer Liste von rund 50 Möglichkeiten frei wählen. Für die Teilnahme werden Sportpunkte vergeben, die für den Erwerb des Diploms benötigt werden. Für sein Konzept „Sport-nach-Maß“ hat das ROC Nijmegen in den Niederlanden bereits eine Reihe von Preisen bekommen.

Danach wurde uns das ROC-Gebäude in einer Führung durch zwei Studenten vorgestellt und erläutert. Dabei wurde uns schließlich auch klar, weshalb wir einige Stunden vorher den Eindruck hatten, nicht in einer Schule, sondern in einer Einkaufspassage zu sein. Die Bäckerei, das Fitness-Studio, der Frisiersalon und die anderen Anbieter, die wir zuvor gesehen hatten, waren reale Unternehmen, die von den Studenten unter der Verantwortung des ROC organisiert und geführt werden.

Die zahlreichen Informationen, die unmittelbaren Einblicke und besonders die offenen und konstruktiven Gespräche, die wir mit den Studenten und den Lehrern des ROC während der gesamten Veranstaltung führen konnten, haben im Kern eines deutlich gemacht: Das niederländische und das deutsche Berufsausbildungssystem haben ihre jeweiligen Schwächen, aber auch ihre individuellen typischen Stärken. Daraus wollen wir gemeinsam Nutzen ziehen. Bereits während der Fortbildungsveranstaltung in Nijmegen haben unsere niederländischen Kollegen und wir deshalb schon erste Kontakte für gegenseitige Schülerhospitationen hergestellt und mögliche Kooperationen für einzelne Bildungsgänge des ROC Nijmegen und des BKaW Bocholt vorgeplant.

M.Grote

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