Unschuldiges Rumpelstilzchen?!

Endlich ist es soweit. Drei Jahre Ausbildung sind geschafft, zig Klausuren geschrieben und sogar die gefürchtete Abschlussprüfung ist so gut wie abgeschlossen. Nach dieser Zeit mit den vorgeschriebenen Themen aus dem Privatrecht wird es für eine Oberstufe der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten Zeit, sich den besonders interessanten Gesetzen zu widmen. Die Rede ist vom Strafrecht. Deswegen fand am 20.05.2014 ein Workshop zu dem Thema statt. Unsere üblichen Lehrer wie Herr Grote, Frau Paschen und Herr Hausl räumten an diesem Tag das Feld. Das Kommando übernahm stattdessen Herr Rechtsanwalt Dr. Wigger, der zufälligerweise auch noch der Chef unserer Klassenkameradin Kerstin ist. Nach einigen Informations- und Diskussionsrunden zu Themen wie Diebstahl, Raub, Mord und Totschlag wurde es dann auch Zeit, die Theorie in die juristische Praxis umzusetzen. Herr Dr. Wigger hatte uns einen Fall mitgebracht, bei dem es um Brandstiftung ging.

Zuerst mussten die Rollen verteilt werden. Die beschuldigte Brandstifterin hatten wir schnell gefunden. Unsere Pia übernahm die Rolle und Verteidigerin wurde ihre Sitznachbarin und gute Freundin Christiana. Schon einmal gute Voraussetzungen, um erfolgreich vor Gericht zu kämpfen. Zur Richterin wurde Anja benannt, die sich ihre Schöffinnen in Nadja und Melanie ausgesuchte. Dieses Trio spielte hier die entscheidende Rolle, denn nur was sie am Ende für richtig oder falsch erklären, gilt auch. Zur Staatsanwältin wurde Anne gewählt, wen wundert´s, immerhin ist sie auch seit drei Jahren unsere stellvertretende Klassensprecherin. Fünf weitere Klassenkameradinnen übernahmen die Rollen der Zeugen, die das Brandspektakel mehr oder weniger miterlebt haben wollten. Nun fehlten nur noch die Sachverständigen. Jana bekam die Rolle der psychologischen Sachverständigen zugewiesen und unser „Tages-Chef“ Herr Dr. Wigger wurde dann auch noch zusätzlich Brandsachverständiger.


Nachdem dies also geklärt war, ging es los. Hier der Schnelldurchlauf: Die Beschuldigte soll auf einem Dach eines Mehrfamilienhauses ein Feuer gelegt haben, das am Ende einen Sachschaden von 100.000 € verursachte. Nun lag es an den Zeugen und Sachverständigen, die Beschuldigte entweder wieder aus der Sache heraus zu holen oder sie noch mehr hinein zu ziehen. Für die Staatsanwältin war der Fall am Ende klar: Die Beschuldigte ist schuldig. Sie hatte ein Motiv, nämlich Eifersucht. Sie fuhr das am Tatort beobachtete Auto und ihre Fingerabdrücke fanden sich überall. Ihre Strafforderung lautete auf 1 ½ Jahre Gefängnis. Alle angeführten Beweise ließen sich auch ganz anders deuten, argumentierte die Verteidigerin dagegen und erklärte dem Gericht ihre Version vom Tathergang, an dem ihre Mandantin in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Nach einer Besprechung mit ihren Schöffinnen kam Richterin Anja zu einem Urteil. Sie sprach die Beschuldigte frei. Grund hierfür waren die Beweise, die nicht zu 100 Prozent auf die Angeklagte als Täterin hinwiesen.

Nachdem dieses Urteil ausgesprochen war, Pia erhobenen Hauptes ihre Freiheit zurückgewonnen hatte und die Staatsanwältin versprochen hatte, in Berufung zu gehen, weil ihr natürlich im Nachhinein tausend bessere Argumente eingefallen waren, wurde es Zeit, sich von Herrn Dr. Wigger zu verabschieden. Die jetzige Mittelstufe der ReNo´s darf sich jetzt schon freuen, denn Herr Dr. Wigger wird mit Sicherheit wiederkommen, mit einem neuen spannenden Fall in seiner Aktentasche.

Nicole Sowa

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