Schüler backen Plätzchen für den guten Zweck
„Jeden Tag eine gute Tat“
„Wo ist Frau Essing, sie soll auf jeden Fall mit aufs Foto“, sagt bei unserer Ankunft eine der drei Schülerinnen, die an jenem Vormittag für die Ausgabe der Leckereien zuständig sind. Auf zwei weihnachtlich dekorierten Tischen haben Melina Scholten, Kamar Hijazi und Shpresa Damann zuvor gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin Sabine Essing Plätzchentüten und „echte“ Schokonikoläuse drapiert. „Echt deswegen, weil sie den Nikolaus als Bischof darstellen und nicht wie viele andere nur als Weihnachtsmann“, erklärt die inzwischen zurückgekehrte Pädagogin. „Ich habe sie aus der Schweiz.“
Es ist 9.30 Uhr, die Schulglocke läutet und eröffnet neben der großen Pause den Verkauf im Foyer des Berufskollegs am Wasserturm. Und es dauert nicht lang, bis an jenem Morgen der erste Rubel rollt. Eine Schülerin greift zu einer Plätzchentüte, kramt 1,50 Euro aus ihrem Kleingeldfach im Portemonnaie, in dem Wissen, mit dem Kauf von Armut geprägten Kindern im rund 10 000 Kilometer entfernten Uganda eine Chance auf Bildung zu ermöglichen.
Schüler engagieren sich in ihrer Freizeit
Seit mehreren Jahren bereits leitet Sabine Essing das karitative Projekt an der Schule und hat bisher immerzu etliche Jugendliche gefunden, die das nötige Interesse und Engagement mitbringen. Diesmal sind es mehr als 50 angehende Kauffrauen und -männer im Einzelhandel, die in der Woche vor dem Nikolaustag den Verkauf in den großen Pausen organisieren. „Die Plätzchen haben sie in ihrer Freizeit selbst gebacken“, freut sich die 53-Jährige über das freiwillige Engagement ihrer Schüler. „Wir hatten eine Projektwoche geplant und dann kam Frau Essing mit diesem Vorschlag. Wir waren total begeistert und sofort dabei“, erzählt die 23-jährige Shpresa Damann, „Jeden Tag eine gute Tat“, ergänzt ihre 18-jährige Mitschülerin Kamar Hijazi, „wenn man schon anderen helfen kann, dann sollte man das auch machen.“
Langsam aber sicher schwinden die feilgebotenen Weihnachtsleckereien dahin. „Wir bekommen meistens um die 300 Euro in der Verkaufswoche zusammen. Das ist zwar nicht die Welt, es reicht aber auf jeden Fall, um ein Kind ein komplettes Jahr im Internat unterzubringen“, rechnet Sabine Essing vor, die sich schon zwei Mal selbst ein Bild von der vor fast fünfeinhalb Jahren eröffneten „Ewaldi Nakaseke Community School“ gemacht hat.
Unter anderem den Bau dieser Bildungseinrichtung in Uganda hatte das Team der Bocholter Initiative „Ewaldi Children Education Fund“ rund um André Bösing – heute Pastoralreferent in Rhede – ermöglicht. Viele der derzeit mehr als 350 Schüler sind Waisenkinder oder deren zum Teil an Aids erkrankten Eltern können den Schulbesuch ihres Nachwuchses nicht aus eigener Tasche finanzieren. Jene Kosten werden durch Spenden und Patenschaften getragen. Interessierte finden alle weiteren Informationen dazu unter www.uganda-ewaldi.de.
Bewegender Erfahrungsbericht
„Frau Essing hat uns Filme und Fotos von ihren Uganda-Reisen gezeigt. Das hat uns alle sehr berührt und mitgenommen“, blickt Shpresa Damann zurück, „jetzt freuen wir uns einfach darüber, dass die Kinder dahinten die Möglichkeit bekommen, gebildet zu werden. Dann können sie später vielleicht einmal studieren und müssen nicht mehr unter so ärmlichen Verhältnissen leben.“
Es sind Aufnahmen, welche die 23-Jährige nachdenklich gestimmt haben: „Wenn man die Bilder sieht, weiß man, dass man sich glücklich schätzen kann, hier zu leben. Man sieht, wie viel Reichtum wir im Vergleich zu denen haben. Man sollte einfach öfter mal schauen, was auf der restlichen Welt passiert. Das, was wir haben ist nicht selbstverständlich.“ Ebenso verantwortlich dafür, die Welt ein wenig besser zu machen, zeigen sich auch die anderen an der Plätzchenaktion beteiligten Schüler. Kamar Hijazi: „Heißes Wasser haben sie dort zum Beispiel erst gar nicht. Die müssen sozusagen arbeiten, um überhaupt an Wasser zu kommen. Und zur Schule gehen, was hier viele nicht möchten, würden die dahinten gerne tun. Wenn wir denen das ermöglichen können, machen wir das sehr gerne.“
André Bösing (Mitte) von der Bocholter Initiative „Ewaldi Children Education Fund“,
die in Uganda eine Schule gebaut hat.
Stadtkurier vom 4.12.2015