„Ein Gespräch kann Leben retten“

In einem Workshop zur Suizidprävention setzten sich Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sowie Groß- und Außenhandelskaufleute mit dem Themenfeld auseinander. Der Bocholter Report berichtet:

600 Menschen unter 25 Jahren nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben. Damit ist der Suizid die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe. „Viele dieser Selbstmorde könnten verhindert werden“, so Niko Brockerhoff, Projektleiter der Mailing-Beratung „U25“ in Gelsenkirchen, der am vergangenen Mittwoch, zusammen mit seiner Kollegin Chantal Abt, 63 Schülern des Berufskollegs am Wasserturm die Online-Suizidprävention des Caritasverbandes vorstellte. Die beiden Caritas-Mitarbeiter zeigten dabei nicht nur auf, wie man Anzeichen und Signale für eine Krise bei anderen erkennt, sondern wie man als Jugendlicher anderen Jugendlichen in einer solchen Krise helfen kann.

„In Deutschland sterben mehr Menschen durch die eigene Hand als im Straßenverkehr!“ Nach dieser Aussage von Niko Brockerhoff herrschte im Auditorium des Berufskollegs am Wasserturm gleich zu Beginn Stille. „Es sterben sogar mehr Menschen durch Suizid als durch illegale Drogen, Aids und Verkehrsunfälle zusammen“, ergänzte Chantal Abt. Einige der Berufsschüler mussten erst einmal schlucken. Dennoch ist der Selbstmord auch heute noch ein Tabu-Thema. „Deshalb ist es wichtig, über dieses Thema zu sprechen“, so die 23-jährige Abt, die selber vor fünf Jahren als sogenannte „Peerberaterin“ bei „U25“ angefangen hatte und dabei Jugendliche begleitet, die in einer Krise steckten oder sich sogar umbringen wollten. Und genau dort setzte der Workshop an. „Wir wollen vorbeugend arbeiten und der Tabuisierung entgegenwirken“, ergänzte Niko Brockerhoff. „Denn ein Gespräch kann Leben retten!“

Doch welche Möglichkeiten haben Jugendliche, anderen jungen Menschen oder gar einem Freund oder einer Freundin zu helfen? „Zuhören reicht manchmal schon und einfach für den anderen da sein“, weiß Chantal Abt. Viele Betroffene bräuchten einfach jemanden, mit denen sie über sich und ihre Situation, ihre Wünsche und Ängste sprechen können. „Sie suchen in erster Linie keine Lösung, sondern Verständnis, Zeit und Vertrauen“, so „U25“-Projektleiter Niko Brockerhoff.

In kleinen Gruppen erarbeiteten die Berufsschüler sich dann einen „Ressourcenkoffer“. Hier sollten sie Sachen hinein packen, die ihnen gut tun. Dabei tauchten mit Musik, Sport, Familie/Freunde, Urlaub, Netflix oder Lesen auch immer wieder dieselben Vorlieben auf. „Gerade in schwierigen Zeiten erinnern wir uns nicht an die Dinge, die uns gut tun“, so Brockerhoff. Er forderte die Berufsschüler dazu auf, sich dieses „Erste-Hilfe-Pakets“ bewusst zu werden. „Greift auf diese Ressourcen gezielt zurück.“ Sie könnten helfen, nicht so gute Tage zu überstehen.“

Am Ende des Workshops klingelte noch einmal ein Wecker, wie bereits drei Mal zuvor. „Das Klingeln des Weckers ist ganz schön nervig“, blickte Niko Brockerhoff in fragende Gesichter. „Wisst ihr, wofür das Klingeln steht?“, fragte er. Nach mehreren falschen Antworten hatte eine Schülerin dann die richtige Idee. „Steht das Schellen vielleicht für jeweils einen begangenen Selbstmord in Deutschland?“, antwortete sie vorsichtig. „Ja, genau. Alle 53 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben“, so der „U25“-Projektleiter. „Das wollten wir euch damit verdeutlichen.“

Quelle: Bocholter Report vom 11.05.

Die Schüler des Berufskollegs am Wasserturm lauschten den Ausführungen von Niko Brockerhoff und Chantal Abt aufmerksam. Fotos: Marcus Beckmann

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