“Die Sitzung ist eröffnet.”

Herr Rechtsanwalt Dr. Wigger führte in der Oberstufenklasse für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte kurz vor Ausbildungsende den jährlichen Workshop zum Strafrecht durch. Herr Dr. Wigger unterstützte die Auszubildenden damit bereits zum zehnten Mal in ununterbrochener Reihenfolge, indem er sein Expertenwissen als Strafverteidiger und seine Fähigkeiten als Entertainer in den Unterricht einbrachte. Dafür sagen wir ihm ein herzliches Dankeschön!

Nach der Erarbeitung der wesentlichen Fakten aus dem materiellen und formellen Strafrecht wurde in allen Einzelheiten ein Strafrechtsfall durchgespielt. Herr Dr. Wigger lieferte dazu anhand eines aktuellen Echtfalles das Ausgangsmaterial, gab die erforderlichen Erläuterungen, war während der Aufführung als Regisseur tätig und übernahm spontan auch selbst eine Rolle als Zeuge. Den Verlauf der Sitzung gibt das folgende Protokoll wieder.


RNO
Protokoll zur Gerichtsverhandlung

  • Die Richterin eröffnet das Strafverfahren gegen den Angeklagten.
  • Die Staatsanwältin trägt die Klageschrift vor: Dem Angeklagten wird der illegale Besitz von 76 Gramm Cannabis, sowie das Fahren unter Alkoholeinfluss und ohne Führerschein vorgeworfen. Der Dreiundzwanzigjährige war am Tatabend einer motorisierten Polizeistreife zunächst wegen seiner unsicheren Fahrweise aufgefallen, so dass sie ihn zum Anhalten aufforderte. Der Ange-klagte reagierte jedoch nicht und fuhr stattdessen mit überhöhter Geschwindigkeit weiter. Die Beamten nahmen die Verfolgung auf. In der Nähe des an einer Tankstelle geparkten PKW nah-men die Beamten den Angeklagten fest. Dabei stellten sie seinen alkoholisierten Zustand, das Nichtvorhandensein des Führerscheins und den Besitz der Rauschmittel bei dem Angeklagten fest.
  • Der Angeklagte wird belehrt; seine Personenstammdaten werden überprüft und bestätigt. Der Angeklagte gibt an, am besagten Abend mit einem Bekannten, dessen Namen er nicht kenne, unterwegs gewesen zu sein, er selbst habe das Fahrzeug nicht gefahren. Als der Fahrer die Po-lizei bemerkt habe, sei dieser bis zur Tankstelle gefahren und danach zu Fuß geflüchtet. Das Rauschmittel sei von dem Bekannten ins Auto geschmuggelt worden. Er selbst habe keine Kenntnis davon gehabt, so der Angeklagte.
  • Die erste Zeugin, die den Angeklagten während seiner Flucht im Auto gesehen haben will, wird in den Zeugenstand gerufen und belehrt. Sie sagt aus, an dem Abend von einer Feier mit einem Taxi nach Hause gefahren zu sein. Als sie ausstieg, bemerkte sie quietschende Reifen und wurde so auf die Verfolgungsjagd aufmerksam. Sie kann nicht genau sagen, ob eine oder mehrere Personen im Fluchtauto saßen. Die Aussagen der Zeugin werden vom Gericht für “unbrauchbar” erklärt, da ihr damaliger alkoholisierter Zustand ihr Wahrnehmungsvermögen zu sehr getrübt hatte.
  • Eine weitere Zeugin, die den Angeklagten an der Tankstelle sah, wird belehrt. Sie kennt den An-geklagten von Partys und gibt an, dass der Angeklagte oft alkoholisiert ist und Rauschmittel zu sich nimmt. Ihr sei auch an der Tankstelle aufgefallen, dass der Angeklagte eine Cannabisziga-rette konsumierte und alkoholisiert wirkte. Sie hätten jedoch kein Gespräch geführt. Der Ange-klagte habe nur undeutlich Sätze, wie: “Hoffentlich erwischen die mich nicht.” oder “So ein Mist!” gemurmelt.
  • Der letzte Zeuge, ein Bewohner eines Hauses in unmittelbarer Tatumgebung, wird belehrt und befragt. Er habe am Tatabend seinen Hund spazieren geführt und dabei seien ihm die Motoren-geräusche aufgefallen. Der Angeklagte sei mit stark überhöhter Geschwindigkeit direkt an ihm vorbeigefahren und an der besagten Tankstelle eingebogen. Der Zeuge folgte dem Angeklagten zu Fuß und fand diesen sodann bei der Tankstelle auf. Er hatte eine Cannabiszigarette in der Hand und taumelte ein wenig. Der Zeuge beließ es dabei und ging weiter. Im Gerichtssaal konnte der Zeuge den Angeklagten aufgrund seiner Frisur und Körperstatur sowie des von ihm getrage-nen Schmuckes eindeutig identifizieren. Er habe den Angeklagten bei der Tankstelle unter guten Lichtverhältnissen klar sehen können.
  • Die Plädoyers der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft werden gehalten. Die Verteidigerin plädiert auf Freispruch, die Staatsanwältin auf 2 ½ Jahre Gefängnis.
  • Die Richterin und die beiden Schöffinnen ziehen sich zur Beratung zurück.
  • Im Namen des Volkes wird das Urteil verkündet: Der Angeklagte wird zu 2 Jahren Haft verurteilt.


Protokollführer: Phillip Rduch

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