Chilenen vermissen herzliche Umarmung

BOCHOLT (dee). "In Chile ist es viel wärmer als in Bocholt". stellt die 16-jährige Claudia Stückrath fest. Diese Beobachtung bezieht die Austauschschülerin aus Chile nicht nur auf das Klima in Deutschland: Die Menschen in ihrem Heimatort Osorno begrüßen sich mit einer herzlichen Umarmung und mindestens einem Kuss. Claudia verbringt seit dem 9. Dezember mit vier weiteren Südamerikanern ihre chilenischen Sommerferien in Deutschland. In Bocholt besuchen sie die zwölfte Klasse des Berufskollegs am Wasserturm.
Michael Niklitschek, Jose Hevia, Evlyn Werner, Claudia Stückrath und Carlos Behrend besuchen in ihrer Heimat eine Deutsche Schule. Das bedeutet für die fünf Chilenen, dass sie seit fast zwölf Jahren bei einem deutschen Lehrer die - nicht ganz einfache -deutsche Sprache erlernen. In der achten, zehnten und zwölften Jahrgangsstufe steht bei ihnen das gefürchtete "Deutsch-Diplom" an. Wird dieses durchgehend bestanden, haben die Schüler die Möglichkeit, später an einer deutschen Universität zu studieren. Jose Hevia hat sich vorgenommen, nach seinem Studium in Chile ein zusätzliches Lehrjahr in Deutschland zu verbringen. "Ich möchte gerne Tierarzt werden und Medizin studieren". erklärt der 17-jährige. Bis Jose jedoch soweit ist, muss er seine Deutschkenntnisse noch verbessern.
Untergebracht sind die fünf Jugendlichen bei Schülerinnen des Berufskollegs in Bocholt und Rhede. Um täglich zur Bocholter Schule zu gelangen, mussten Jose und seine Freunde erst einmal den Umgang mit dem Fahrrad erlernen. "In Osorne gibt es zwar auch Fahrräder", so der Austauschschüler, "aber längst nicht jeder kann damit fahren!"

Eine weitere Umstellung zu ihrem Heimatland ist das Verhalten der Menschen untereinander. Während in Deutschland eher Worte oder ein gegenseitiges Händeschütteln Gang und Gebe ist, sei in Südamerika wenigstens eine herzliche Umarmung üblich. Auch am heiligen Abend bemerkte Claudia einige Unterschiede zwischen den beiden Kulturkreisen: Die Geschenke werden in ihrer Heimatstadt buntgemischt unter dem Weihnachtsbaum verteilt um anschließend nach Bedarf und Stimmung ausgepackt zu werden. In ihrer Rheder Gastfamilie erlebte sie dagegen ordentlich sortierte Päckchen, die der Reihe nach und mit großer Sorgfalt verteilt wurden.
Was das Schulleben in Osorno betrifft, so fühlen sich die fünf Jungen und Mädchen in der Bocholter Schule sehr wohl. Denn während sie hier höchstens einmal in der Woche für acht oder neun Stunden die Schulbank drücken dürfen, müssen sie in Chile jeden Tag bis 16.30 Uhr den Unterricht besuchen. Außerdem gibt es in ihrer deutsch-chilenischen Schule doppelt so viele Hausaufgaben auf und mehr Prüfungen sind zu bestehen. Von Heimweh ist bei den Austauschschülern deswegen nur wenig zu spüren. Nicht immer an Zuhause denken: Dabei helfen den Chilenen auch die deutschen Gastschüler.

Die Gruppe hat in Bocholt bereits so einiges unternommen. Besonders gut hat den Jugendlichen dabei das Bowlen gefallen. Aus diesem Grund werden sie dies vor ihrer Abreise am 31. Januar noch einmal wiederholen. .Anschließend touren sie noch bis zum 22. Februar durch Europa, um weitere Städte und Kulturen kennenzulernen. Im Sommer werden dann voraussichtlich deutsche Schüler des Berufskollegs in die südamerikanische Stadt Osorno reisen, um dort den langen Schulalltag mitzuerleben.

(BBV vom 22. Jan. 2003)

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