Sommerferien im Winter

Die Frage, was ihr in Bocholt denn besonders gut gefallen habe, beantwortet Isabel Gonzalez prompt: „Der Karneval, denn den gibt es in Chile nicht", sagt die 17-jährige Austauschschülerin auf deutsch mit spanischem Akzent. Besonders beeindruckt war sie vom Rosenmontagszug. Den erlebte sie verkleidet als Eisprinzessin in der Fußgruppe des GSV Suderwick hautnah mit. "Das war ein tolles Erlebnis."

Seit Anfang Dezember ist Gonzalez in Bocholt und wohnt bei den Eltern von Daniela Telahr. Die 18-Jährige besucht das Berufskolleg am Wasserturm. Und deren Lehrerin Jutta Ritter organisierte jetzt bereits zum fünften Mal den Schüleraustausch mit der deutschen Schule im chilenischen Osorno. Gonzalez ist dabei eine von insgesamt 21 Schülerinnen, die nach Deutschland gekommen sind und in verschiedenen Städten im gesamten Bundesgebiet untergekommen sind.

Obwohl in Chile zurzeit Ferien sind, durfte sich Gonzalez nicht auf die faule Haut legen, sondern ging in die 11. Klasse des Berufskollegs. Folglich kann sie zwischen den Schulsystemen vergleichen. „Hier werden viele Projekte gemacht und man schreibt Arbeiten nur alle vier oder fünf Wochen. In Chile gibt es jede Woche Prüfungen", berichtet die Austauschschülerin. Der Schultag sei in ihrem Heimatland auch länger. „Er geht bis 17 Uhr. Wir haben 43 Stunden in der Woche."
Zur Schule fuhr sie mit einem Fahrrad, das ihre Gasteltern besorgt hatten. Auch das war für die Chilenin ungewohnt: „Fahrräder sind bei uns eher selten. In Osorno werde ich von meinen Eltern mit dem Auto zu Terminen gefahren." Das Radfahren habe ihr aber viel Spaß gemacht, genauso wie der Besuch in der Klasse.

Gemeinsam mit ihren chilenischen Schulkameraden und einer Lehrerin verbrachte sie zunächst eine Woche in Heidelberg. Die Uni-Stadt war auch Ausgangspunkt für eine gemeinsame Berlin-Fahrt und Ende Januar für eine zweiwöchige Europareise durch Österreich, Italien, Frankreich und die Niederlande.
Morgen endet für Gonzalez, deren Urgroßeltern aus Hamburg kommen, der Aufenthalt in Deutschland. Von Frankfurt aus hebt der Flieger gen Chile ab. Sie habe die Zeit hier und insbesondere in Bocholt genossen, freue sich aber auch auf Zuhause, denn ein bisschen Heimweh habe sie schon, sagt die Chilenin. Was sie denn dagegen getan habe, will Jutta Ritter wissen. „Gegessen", antwortete die 17-Jährige und lacht. Drei bis vier Kilo habe sie in den letzten Wochen zugelegt. Fehlen werden ihr besonders der süße Brotaufstrich einer bekannten Firma („Der ist in Chile viel zu teuer") und Döner („Die gibt es in Chile nicht").
Nicht nur darauf wird sich Daniela Telahr einstellen müssen, wenn sie - praktisch im Gegenzug - in den Sommerferien für sechs Wochen nach Osorno fliegt und bei den Gonzalez' wohnt. Ritter empfiehlt ihr, ein paar warme Sachen mitzunehmen. In Chile ist dann Winter.

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