Lehrerqualifizierung durch Auslandspraktikum in einem Betrieb

BOCHOLT (ps). Als Wegbereiter bezeichnet Michael Ebbers, Schulleiter des Berufskollegs am Wasserturm, den Referendar Eugen Dräger (30). In den Sommerferien bemühte sich der 30-Jährige nämlich um einen Praktikumsplatz bei einer Firma, und hat mittlerweile drei Nachahmer. Dräger selbst empfindet sich gar nicht als "Eisbrecher". Die Idee mal den theoretischen Stoff mit Praxis zu füllen liegt für ihn nahe. Schließlich habe er sich nach dem Studium der Fächer Wirtschaftswissenschaften und Englisch an der Schule schon häufiger gefragt: "Was habe ich da eigentlich im Studium gelernt, was ich in der Schule brauchen kann?"

Weg vom Drehtürprinzip will Michael Ebbers vor allem die Kollegen führen, die zwei allgemeinbildende Fächer unterrichten. Drehtürprinzip – damit meint er, dass Kollegen häufig von der Schule an der Universität studieren und von dort direkt wieder an eine Schule kommen. Deshalb unterstützt er ausdrücklich Lehrer, die über den Tellerrand hinausgucken, "damit sie von der Welt erfahren, von der die Schüler oft viel mehr verstehen als sie selbst." Die Schüler müssten Berufsabläufe verstehen, von denen ihre Lehrer manchmal gar keine Ahnung haben. "Das sollte nicht sein", meint Michael Ebbers. So ganz unbekannt sind Eugen Dräger Arbeitsabläufe allerdings nicht, vor dem Studium machte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann: "Es gibt in einer Fabrik aber auch noch andere Arbeitsabläufe, die sehr interessant sind, als in einer Bank."

Zwar klappte es für Dräger im Sommer nicht mit dem gewünschten Praktikumplatz, doch mit Unterstützung der Schule, die durch ihre Schüler genug Kontakte zu Betrieben in der Region hat, gelang es ihm einen Praktikumsplatz in der englischen Niederlassung der Firma Borgers (in Telfort, in der Nähe von Birmingham) auszumachen. Vier Wochen war er insgesamt auf der Insel, zwei Wochen davon in den Herbstferien, zwei Wochen befreite ihn der Schulleiter vom Unterricht. Einquartiert wurde Dräger bei einer Familie, die ihn bei sich übernachten ließ. Für 25 Pfund am Tag (rund 80 Mark) noch eine der günstigsten Alternative für den Nachwuchslehrer.
Unterstützt wurde Dräger von allen Seiten, deshalb sagt er nach vier Wochen Praktikum in England: "Das würde ich jederzeit wieder machen." Allerdings musste er nicht nur einen Teil seiner Freizeit investieren, das Praktikum war außerdem sehr teuer. Rund 3000 Mark kosteten ihn die vier Wochen. Für einen Referendar, der monatlich rund 1700 Mark verdient, kein Pappenstil. Zur Finanzierung erhielt er ein zinsloses Darlehen vom Förderverein der Schule, zeitlich unterstützte ihn der Schulleiter, in dem er Eugen Dräger für die zwei Wochen nach den Herbstferien beurlaubte. "Das ist auch durch Vorgaben des Ministeriums gedeckt", sagt Michael Ebbers.

Auch in England wurde er von allen Seiten unterstützt: "Der Vizepräsident der Borgers-Gruppe Klaus Grotke war so begeistert, dass er mir anbot, jederzeit den Firmenwagen zu nutzen", so Dräger. Vor allem an den Wochenenden eine nette Geste, "in Telfort ist nämlich nicht viel los". So konnte der Nachwuchslehrer nicht nur kaufmännische Dinge kennen lernen, seine Sprachkenntnisse aufbessern und sich wichtige Vokabeln im Bereich Geschäftsenglisch aneignen, das für seine Schüler besonders wichtig ist, sondern er hatte außerdem Gelegenheit Land und Leute kennen zu lernen. "Für einen Englischlehrer nicht das Schlechteste", sagt Eugen Dräger.

© Bocholter-Borkener Volksblatt Im BBV veröffentlicht am: 24.11.2001, im Ressort: Bocholt

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